Die Herkunft dieser beiden Interviewpartner könnte unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite Dr. Sebastian Bohrn-Mena, chilenisch-österreichischer Ökonom und Publizist, Veganer und Initiator des erfolgreichen Tierschutzvolksbegehrens. Auf der anderen Seite Mag. Florian Hippesroither, Fleischesser und Geschäftsführer des oberösterreichischen Fleischverarbeiters Gourmetfein. Dennoch haben sich diese beiden Persönlichkeiten nicht etwa zu einem Streitgespräch getroffen, sondern um ihre Partnerschaft zu verkünden.
Erfolgreicher Leberkäse von Gourmetfein
Die Geburtsstunde von Gourmetfein war im Jahr 2004 in Michaelnbach, einer knapp 1.300-Seelen-Gemeinde im Hausruckviertel. Fritz Floimayr hat damals eine Landmetzgerei übernommen und die Marke Gourmetfein geschaffen. Anfangs mit einer Jahresproduktion von rund 200 Tonnen, die sich bald auf 2.000 Tonnen steigerte. 2013 wurde ein neues, hochmodernes Firmengebäude gebaut, und 2019 schließlich auch noch der regionale Fleisch- und Wurstproduzent Zellinger zu 74,8 % übernommen.
Heute verarbeitet Gourmetfein rund 60.000 Schweine und rund 2.500 Jungstiere pro Jahr und erzeugt daraus unter anderen den bekannten Naturkrusten-Leberkäse in 15 verschiedenen Sorten. Der Vertriebsweg führt über die heiße Theke der Tankstellen. So ist Gourmetfein Partner von vielen österreichischen Tankstellen, aber der Leberkäse ist auch in ausgewählten Supermärkten und Lebensmittelgeschäften erhältlich. „In der heißen Theke sind wir heute Marktführer in Österreich“, ist Florian Hippesroither stolz auf das Paradeprodukt.
Die gleichen Ziele: Tierschutz und Fleischverarbeiter
Trotz der rasanten Entwicklung und der mittlerweile beachtlichen Größe setzt Gourmetfein nach wie vor auf das traditionelle Handwerk – und setzt sich für Regionalität, Transparenz und Tierwohl ein. So ist Gourmetfein der erste und derzeit einzige Fleischverarbeitungsbetrieb Österreichs, der ausschließlich mit dem AMA-Gütesiegel zertifiziertes Schweine- und Rindfleisch verwendet. Aber Gourmetfein geht noch einen – oder gleich mehrere – Schritte weiter: Es werden zudem auch ausschließlich gentechnikfreies Fleisch und glyphosatfreie Produkte von Partnerbetrieben aus Österreich verwendet. Auf jedem Erzeugnis, selbst auf verarbeiteten Produkten wie etwa Leberkäse, findet sich der lesbare (!) Nachweis der Herkunft unter Angabe des konkreten landwirtschaftlichen Betriebs.
Gourmetfein bietet Höchststandards
Die Einhaltung dieser selbst auferlegten Höchststandards wurden von Fritz Floimayr jetzt durch eine eidesstattliche Erklärung bestätigt. „Wir wollen den Konsumenten nicht mit schönen Werbungen beeindrucken, sondern mit Ehrlichkeit“, erklärt Hippesroither diesen ungewöhnlichen Weg, „und diese Ehrlichkeit braucht unsere Branche.“
Und hier schließt sich der Kreis zu Sebastian Bohrn-Mena und seinem Tierschutzvolksbegehren. „Wir zeigen schon heute, dass das, was das Tierschutzvolksbegehren für morgen als verbindlichen Standard fordert, in weiten Teilen leicht umsetzbar ist. Bewusst setzen wir seit Jahren auf Tierwohl und Naturschutz, auf Regionalität und Transparenz. Und zeigen damit, dass es möglich ist, wenn man nur will. Wir unterstützen daher diese Initiative aus vollster Überzeugung und rufen alle Menschen und Betriebe auf, es uns gleichzutun“ so Fritz Floimayr.
Für Fleisch & Co haben sich Sebastian Bohrn-Mena und Gourmetfein-Geschäftsführer Florian Hippesroither im Alt-Wiener Kaffeehaus Eiles zum Doppel-Interview eingefunden:
Fleisch & Co: Welche Gemeinsamkeiten haben ein großer Fleischverarbeiter und das Tierschutzvolksbegehren?
Florian Hippesroither: „Wir stören uns beide an dem Grundsystem der Industrialisierung der Lebensmittelproduktion. Man muss sich nur ansehen, wie international unsere Teller bestückt sind. Wie viele Tausende Kilometer der Schinken in sich hat, woher das Soja für die Fütterung der Schweine stammt oder welche Kinder dafür arbeiten mussten.
Allein in Österreich werden 600.000 Tonnen gentechnisch verändertes Soja pro Jahr importiert – und dieses auch innerhalb des AMA-Gütesiegels an österreichische Schweine verfüttert. Dieses System der kompletten Industrialisierung geht aber auf Kosten des Regenwalds, der Menschen vor Ort, auf Kosten der Umwelt, … Und da rede ich noch nicht vom massiven Glyphosateinsatz, der sich in den letzten Jahren verfünfzehnfacht hat. All das für Billigfleisch. Das ist doch verrückt.“
Fleisch & Co: Woher bekommt Gourmetfein das Fleisch?
Florian Hippesroither: „Von Bauern in der Umgebung. Ein Schwein ist nach wie vor ein Nutztier, aber das bedeutet nicht, dass man es schlecht behandeln muss. So haben wir von Anfang an spezielle Regeln aufgestellt: gentechnikfrei, Platz, Beschäftigung, Heu, Einstreu etc. – wir wollen dem Schwein ein gutes Leben ermöglichen. Heute sind wir mit 46 Schweinebauern in Partnerschaft und verarbeiten etwa 60.000 – im nächstes Jahr wahrscheinlich 80.000 – Schweine.”
Fleisch & Co: 80.000 verarbeitete Schweine im Jahr – das ist doch schon Industrie?
Florian Hippesroither: „Wir zählen uns nach wie vor zum Handwerk, wir leben das Handwerk und lieben das Handwerk. Obwohl wir ein sehr moderner Betrieb sind, arbeiten wir immer noch nach alter Metzgertradition.“
Fleisch & Co: 80.000 verarbeitete Schweine im Jahr – wie passt das mit Tierschutz zusammen?
Sebastian Bohrn-Mena: „Bei Gourmetfein werden viele von den Forderungen, die wir im Tierwohl und Naturschutz aufstellen, bereits erfüllt. Glyphosatfrei, gentechnikfrei, kein importiertes Soja aus dem Regenwald und keine Langstreckentransporte, ganz wichtig! Es werden keine Tiere importiert, um daraus dann ,traditionelle österreichische Produkte‘ zu machen – Stichwort Speck aus Tirol, wo Tönnies-Fleisch drinnen ist.“
Fleisch & Co: Warum hat sich Gourmetfein für diesen teureren und wohl auch schwierigeren Weg entschieden?
Florian Hippesroither: „Man kann nicht nur über die industrielle Lebensmittelproduktion schimpfen und über die vielen armen Schweine klagen – man muss schon selbst etwas machen. Anders gesagt: Man kann sich nicht öffentlich über die Missstände aufregen und dann selbst irgendwo billig einkaufen. Und so hat Fritz Floimayr schon bei der Gründung von Gourmetfein gesagt, dass er mit diesem System nichts am Hut hat oder haben will.
Wir haben gezeigt und wollen weiterhin zeigen, dass ein Qualiätsprogramm auch mit einem Produkt wie Leberkäse gut funktioniert. In der gesamten Wertschöpfungskette!”
Fleisch & Co: Und der Leberkäse ist nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch konkurrenzfähig?
Florian Hippesroither: „Wir produzieren etwa 3.000 Tonnen Leberkäse und Wurst im Jahr. Und wir haben aus dem Leberkäse ein Qualitätsprodukt mit wirklich ordentlichem Fleisch gemacht. Wir verzichten auf Geschmacksverstärker und Verdickungsmittel. Teurer ist er wahrscheinlich um nicht einmal 20 Cent pro Leberkäsesemmel.“
Fleisch & Co: … und das ist auch für das Volksbegehren wichtig?
Sebastian Bohrn-Mena:„Uns ist wichtig zu zeigen, dass das, was wir fordern, auch in der Branche machbar ist – nicht nur im High- End-Bereich. Und wie kann man das besser zeigen als mit Leberkäse, der auch an Tankstellen verkauft wird. Dass es leistbar und lebbar ist – Tierwohl und Naturschutz auch in der Massenproduktion umzusetzen, also Handwerk in der Fertigung und im Resultat große Mengen. Und dafür steht das Tierwohlvolksbegehren. Wir sind nicht das Bio- oder das Vegan-Volksbegehren, und wir wollen schon gar nicht das Volksbegehren für Nischen und Eliten sein. Wir wollen die breite Masse erreichen, zeigen, dass Tierwohl und Fleischkonsum sehr wohl vereinbar sind. Und natürlich wollen wir auch die Menschen dazu bringen zu reflektieren, wo ihre Lebensmittel eigentlich herkommen.“
Fleisch & Co: Warst Du auf der Suche nach einem Partner?
Sebastian Bohrn-Mena: „Ja, natürlich! Ich habe in den letzten zwei Jahren mit vielen Fleischproduzenten gesprochen und auch gute Konzepte gesehen. Doch bei allen diesen Betrieben wurde immer nur ein Teil auf Tierwohl umgestellt. Meist waren das nur so zehn bis 15 % des Betriebs – und diese wurden dann öffentlich ganz groß präsentiert. Während 85 – 90 % der Produktion vollkommen unbeirrt, vorbei an all diesen Standards weiter wie gewohnt laufen. Gourmetfein ist ein Unternehmen, das all diese Standards zu 100 % im gesamten Produktionsablauf umsetzt.“
Natürlich ist es ein Wagnis, als Betreiber des Tierschutzvolksbegehrens mit einem Fleischverarbeiter in Kooperation zu gehen – aber ich möchte Menschen dazu bringen, nachzudenken, warum und wie Tierwohl und Fleischkonsum vereinbar sind!
Fleisch & Co: Ehrlichkeit ist gut und schön, aber wie kann man das wirklich kontrollieren?
Florian Hippesroither: „Wir haben 46 Schweinebauern und 160 Rinderbauern, und natürlich kann man nicht für jeden garantieren. Und wir wollen keine einzelnen Musterbetriebe schaffen, sondern nachhaltige Partnerschaften mit allen Bauern leben. Daher bezahlen wir unseren Bauern mehr Geld und federn Marktschwankungen durch eine Fixpreisbindung, die immer über fast ein Jahr geht, ab. Das sind etwa 202,– Euro auf 100 kg gerechnet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist: Unsere Bauern wissen, zu welchem qualitativ hochwertigen Produkt ihre Tiere verarbeitet werden und stehen mit ihrem Namen auch auf dem Etikett des Produkts – das macht sie nicht nur sehr stolz, sondern bringt eben auch ein großes Verantwortungsgefühl mit sich.
Fleisch & Co: Ein weiterer Vorteil der Herkunftskennzeichnung?
Sebastian Bohrn-Mena: „Unsere Kooperation konzentriert sich auf drei Eckpfeiler. Einer davon ist die Herkunftskennzeichnung! Diese muss umgesetzt werden, und so wie ich das sehe, ist auch fast ganz Östereich dafür. Also die Ministerin ist dafür, die Landwirtschaft ist dafür, der Konsument ist dafür, das Lebensmittelhandwerk ist dafür – nur die Lebensmittelindustrie und kleine Teile der Gastronomie sind dagegen.“
Fleisch & Co: Was soll Eure Kooperation noch umsetzen?
Florian Hippesroither: „Die Herkunftsgarantie ist einmal das Wichtigste. Weiters wünschen wir uns das Ende der Fütterung mit gentechnisch verändertem Soja. Hier wünschen wir uns eine klare Regelung: Nein zu gentechnisch veränderten Fu!ermitteln innerhalb des AMA-Gütesiegels. Ich glaube, dass diese Qualitätsausrichtung auch der AMA selbst sehr guttun würde.”
Fleisch & Co: Und der dritte Bereich?
Florian Hippesroither: „Schluss mit den langen Lebensmitteltransporten. Fritz Floimayr bezeichnet das immer nur als Kälber-Karussell. Es kann doch nicht sein, dass wir Kälber nach Spanien fahren und von Belgien wieder billige Kälber einführen. Wir haben das bei Gourmetfein ganz anders geregelt: Wir haben eine Sperre für Transporte von über 70 Kilometern. Das funktioniert bei uns gut: Es ist eine Frage des Wollens und nicht des Könnens.“
Fleisch & Co: Euer System funktioniert so gut, dass Ihr auch weitere Metzger beliefert?
Florian Hippesroither: „Wir sehen da einen extremen Bedarf. Die Metzger sagen uns ja, dass sie wieder ein ,g’scheits Fleisch‘ wollen, ein Produkt mit Geschichte, mit Herkunfts-, Tier- und Bodenschutz. Denn mit irgendeinem Fleisch, das es auch im Supermarkt gibt, kann der Metzger heute nicht mehr punkten.“
Fleisch & Co: Stichwort Billigfleisch?
Sebastian Bohrn-Mena: „Ich glaube, es ist wichtig, einerseits die Verantwortung der Konsumenten zu stärken und zu appellieren, nicht zu Billigfleisch zu greifen. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass man bei Lebensmitteln eine gewisse Untergrenze einziehen muss. Ich kenne keinen Landwirt, der es leiwand findet, dass seine Arbeit so verramscht wird. Weil am Ende des Tages hat er extrem viel Arbeitszeit, Energie und Ressourcen investiert – nur damit am Schluss ein Schweinsschnitzel samt Beilage in einem Möbelhaus für 2,5 Euro verkauft wird.“
Florian Hippesroither: „Dabei geht es aber nicht nur um diese 2,5 Euro, sondern um den realen Preis für uns alle. Was kostet uns das gentechnisch veränderte Soja aus Südamerika? Was bedeuten für uns – und unsere Kinder und Enkelkinder – die CO2-Emissionen durch die Regenwaldrodung und den Transport. Bis es dann bei uns landet, wo es auch noch subventioniert wird – nur damit es produziert werden und billig am Teller landen kann. Was ich damit sagen will? Es braucht dringend eine systemische Veränderung.“
Sebastian Bohrn-Mena: „Nichts ist so teuer wie Billigfleisch – aber es bezahlt jemand anderer die Kosten: die Tiere, die Natur, die nachfolgenden Generationen und wir Steuerzahler!“